Wie es bei mir anfing #2

  • Eines Sonntags stöckelte meine Mama wieder in ihren Pumps Richtung Kirche, als sie mit dem rechten Absatz in einer Ritze hängen blieb. Der schon so oft überdehnte Gummizug des Riemchens riss und meine Mutter stolperte komplett aus ihrem Schuh. Sie untersuchte ihn und bekam fast einen Heulanfall. Stöckel ruiniert, Riemchen kaputt. Aber es läutete schon und zum Gottesdienst wollte sie auf keinen Fall zu spät kommen. Also rein in den Schuh und weiter. Mit dem ersten energischen Schritt stand sie gleich wieder neben ihm. Ohne das Riemchen gab es keinen Halt. Ok, mit vorsichtigeren Schritten schlappte es zwar entsetzlich, aber sie konnte weiterstöckeln. Meine Mama hatte es eilig. Deshalb ging das nähmaschinenschnell und wurde nur unterbrochen, wenn es wieder mal zu viel gefloppt hatte und sie ihren kleinen Pumps absatzschlurfend wieder einfangen musste. So kamen wir gerade noch rechtzeitig zur Kirche. Ein Problem war noch die Treppe vor der Kirche. Meine Mama stelzte wie ein Storch hinauf, um ihr loses Schühchen vor all den Leuten zu behalten. Während der Messe zog sie es vor dem Hinknien verstohlen aus, damit es ihr nicht vom Fuß rutschen und laut auf den Absatz fallen könnte. Nach der Messe wartete sie, bis die Leute sich verlaufen hatten, um keinen Hingucker zu produzieren. Dann ging es auf hohen Stöckeln und mit kleinen Schritten und etwas vorsichtiger tapptapp-pflipp!!!-tapptapp-pflipp!!!-tapptapp-pflipp!!! nach Hause. Im Haus, vor der Treppe, ließ meine Mama ihren rechten Pumps fallen, wurstelte sich den linken, den mit dem intakten Riemen, vom Fuß und ging auf Strümpfen hinauf. In der Wohnung tat meiner Mutter der Fuß weh von dem Geflippe und Zehen in den Schuh krallen. Obwohl sie es eigentlich mochte und es bestimmt zu reparieren gewesen wäre, stopfte sie das Paar wohl aus Kummer oder Ärger noch am selben Tag in die Tonne. Meiner Mama diese Schuhe anziehen zu dürfen, war nun leider vorbei. Trotzdem wollte ich die Pumps heimlich retten und in den Keller zu den anderen packen. Leider hatte ein Hausbewohner schon zu viel Müll darüber geschüttet...

    Die Riemchen-Stöckelschuhe meiner Mama waren kaputt gegangen und existierten nicht mehr. Ich hatte meiner Mama jeden Sonntag so gern hinein geholfen und sie hatte sie so gern getragen, sehr hoch und mit Zierschleifchen. Zwar hatten ein paar ältere Tanten immer was zu gucken, wenn meine Mama auf ihren Absätzen durch die Kirche stöckelte. Das war meiner Mutter aber egal...

    Meine Mama trug jetzt im Alltag, es war Sommer 70, meist bunte Sandaletten mit recht dicken Sohlen, wie sie damals in Mode waren. Die machten meine Mama ebenfalls größer, weil sie es im Endeffekt auf 8 cm oder mehr an Absatzhöhe brachten. Am darauffolgenden Sonntag stand meine Mama in solchen Sandaletten vor dem Spiegel. Dann entschied sie: nee. Sie holte ihre verbliebenen Stöckelpumps aus dem Schrank, wählte die weißen. Hinein schlupfen, begucken. Ok, die sind es für heute. Ich kannte die Schuhe ja gut, weil ich sie selber schon einige Male heimlich an gehabt hatte. Ich glaube, es waren die Hochzeitsschuhe meiner Mama, rein weiß, keine Verzierungen, spitz, nicht sehr tief ausgeschnitten, ziemlich hoch, mit dem typischen Trichterabsatz. In ihnen ging sie mit mir zusammen vorsichtig tapp--tapp--tapp die Treppe runter, dann mit ihren kleinen schnellen Schritten weiter Richtung Kirche. Recht bald schlurfte ihr linker Absatz und sie stockte. Sie hätte gerade fast ihren Schuh verloren, sagte sie. Mit ihren Schuhen schien sie ein Problem zu haben. Denn das regelmäßige tapptapptapp ihrer Stöckel wurde jetzt häufiger von Schlurfen und Klappern gestört. Sie blieb stehen. Ihre Schuhe seien so komisch weit geworden seit zu Hause, sagte sie. - Hm, meine Anprobiererei letztes Jahr, als mir die Pumps gerade noch passten und ich sie mit Lederstretch weiter gemacht hatte! – Weiter gehts. Vorsichtig, konzentriert. Sie hält ihren Mantel, damit sie ihre Schuhe sehen kann. Schlurf. Wieder der linke Schuh. Da stimmt doch was nicht. Sie schlupft komplett heraus. Muss balancieren. Hebt ihn hoch. Fühlt rein. Das ist ja gar keine Watte vorn drin. Kein Wunder also. Sie kramt in der Handtasche nach einem Tempo, reißt es durch und stopft eine Hälfte in den Schuh. Schuh fallen lassen. Reinschlupfen. Zu eng. Schuh wieder aus. Hochheben. Hüpfen und Balancieren, sie ist genervt. Tempo raus. Scheiß drauf. Dann geht es halt ohne. - Meine Mama trug ihre 60er Pumps gern fest. Sie waren ihr ja eigentlich alle eine Nummer zu groß. Durch Einlagen und ein kleines Stück Watte in der Spitze konnte sie das aber ausgleichen. Sie musste beim Reinschlupfen sogar immer die Kappe mit dem Zeigefinger etwas breitmachen. Ausziehen ging nur mit der Hand. - Meine Mama ist genervt, will weiter kommen. Rechts klappert und schlurft es, links springt der Hacken bei jedem Schritt aus dem Pumps. Muss den Schuh noch ein paar Mal einfangen. Vor der Kirche Schlendergang, wegen der Leute. Die Treppe vor der Kirche. Absätze auf die Stufen und wie ein Storch hinauf, wie letzten Sonntag. Schlendergang in die Kirche hinein. Die alten Schachteln. Das ist sie wieder, die mit den lauten unanständig hohen Absätzen, heute in weiß! Dazu dieses kniefreie Kleid unter dem offenen Sommermantel! Während der Messe, vor dem Hinknien wie am Sonntag davor unauffällig aus dem linken Schuh schlupfen. Heimwärts wieder im Schlendergang aus der Kirche, die Treppe äußerst vorsichtig hinunter, Schlendergang bis man außer Sicht ist, dann tapptapp-flipp-tapptapp-flipp nach Hause. Im Haus, auf der Treppe, behielt sie ihre Schuhe anders als letzten Sonntag an. Absätze jetzt in der Luft, kaum eine Chance, im linken drin zu bleiben. Hacken guckt halb raus. Auf unserem Stock angekommen, humpelt sie mit heraus schauendem Hacken und absatzschlurfend die paar Schritte bis zur Wohnungstür, schließt auf und kickt ihren Schuh in hohem Bogen in den Flur. Dem Ärger Luft machen. Noch im rechten drin, mit Schlüssel und Handtasche, humpelt sie auf-ab-auf-ab zu ihm hin, hebt ihn auf, steckt die Hand hinein, spreizt ihn vorn, betrachtet ihn von allen Seiten und sagt, sie begreife das nicht. Aber nach Ärger gibt es auch Versöhnung. Noch im rechten Schuh drin, humpelt sie mit dem linken Schühchen ins Bad und holt Watte, stopft sie rein, Schuh fallen lassen, probieren, bisschen viel… ok, jetzt gehts. Auf 2 Schuhen zum großen Spiegel. Probieren. Ein bisschen Wippen, links flippen lassen wollen, der fällt jetzt von selber auf den Stöckel, schlurfend wieder rein. Ein bisschen lose, aber drin Gehen ist, wippwipp, – eigentlich – ja eigentlich noch ganz ok. Also raus den Schuhen, Spanner rein, jeden einzeln sorgfätig in das Seidenpapier einwickeln und in den Karton legen, Karton zu, ab in den Kleiderschrank. Meine Mama liebte ihre Stöckelpumps...

    Nach 2x Malheur reifte in meiner Mama wohl der Entschluss, dass etwas Neues her müsse. Stöckelschuhe waren ja auch aus der Mode...

    Für mich war die Zeit bis dahin unheimlich prägend. Es fing an, als ich die hohen Stöckelschuhe meiner Mama entdeckte und sie mir passend machte. Da machte es mir nur Spaß, darin herum zu laufen. Dann kam der Hammer-Tag, als sie ihre Riemchenpumps kaum anbekam: Das unstillbare Verlangen, an diesen Schuhen zu spielen. Das Bild von ihrem Hacken, der nicht in den Schuh passte, verfolgte mich noch Tage. Schließlich, als ich ihr diese Schuhe immer an- und ausziehen durfte. Es war immer ein Gefühl in mir, das ich nicht einordnen konnte. Ja, und als sie an 2 aufeinander folgenden Sonntagen in flippenden hohen Pumps unterwegs sein musste, hatte ich schon jedes Mal eine dauerdicke Hose...

    (Fortsetzung folgt)