Hier mal eine Geschichte, die ich vor ein paar Jahren mal angefangen hatte zu schreiben und in einem Forum auch mal gepostet hatte. Google findet dazu nichts mehr. Also: auf ein Neues, viel Spaß!
ZitatAlles anzeigenZu Besuch in Stöcklandia
Ich möchte Euch kurz mal von meinem letzten Wochenende erzählen. Um eine alte Freundin, mit der ich damals Abi gemacht hatte, zu besuchen fuhr ich mit dem Zug nach Stöcklandia, einem kleinen Staat zwischen Deutschland und der Schweiz, mit gerade mal 47.000 Einwohnern.
Stöcklandia ist eine kleine Monarchie. Ursprünglich hieß das Land mal Urkenstein, aber König Philipp IV. ließ das Land 1698 in Stöcklandia umtaufen. Ihm ist auch der heutige Kult um hohe Schuhe zuzuschreiben, der bis heute auf einzigartige Art und Weise gepflegt wird.
Meine Bekannte war vor gut zwanzig Jahren nach Söcklandia ausgewandert und die letzten Jahre hatten wir nur telefonisch und schriftlich Kontakt. Ein paar Mal war sie auch zu Besuch ihrer Eltern in Deutschland gewesen, da hatten wir uns dann sehen können. Aber ich schweife ab...
Kapitel 1 - Ankunft in Stöckel-City
Ich nahm also am Freitag den Zug von München nach Stöckel-City, der Hauptstadt Stöcklandias. Wie gesagt: ich hatte schon einiges über das kleine, ungewöhnliche Land gehört und gelesen, aber allzu vertraut war ich mit der Lage wohl nicht.
Am Hauptbahnhof angekommen, schaute ich mich erst einmal um, ob ich Sibylle (meine Bekannte) finden würde. Etwas irritierend waren die vielen Frauen aber vor allem Männer, die mit wirklich hohen, fast halsbrecherischen Schuhe durch den Bahnhof liefen.
Selbst die Gendarmerie trug Heels! Die beiden Polizisten, ein Mann und eine Frau trugen eine tailliert geschnittenen Uniformjacke, die wirklich peppig aussah, dazu Pluderhosen (ähnlich denen der Schweizer Garde) in blau-weiß gestreift und dazu weiße Overknee-Stiefel mit bestimmt 10cm Absätzen.
Während ich noch irritiert schaute, kam der Polizist auf mich zu.
„Sagen sie mal, wissen Sie nicht welcher Tag heute ist?“
„Ähm… nein…“
„Heute ist der Ehrentag von König Victor dem fünften!“
In dem Moment kam geschwinden Schrittes – trotz dieser hohen Absätze meine Bekannte angelaufen.
Sibylle: „Herr Wachtmeister, Verzeihung, aber mein Bekannter kommt nicht aus Stöcklandia.“
Polizist: „Na, dann zeigen sie mir mal ihre Papiere.“
Ich holte meinen Reisepass hervor.
Polizist: „Ach so, sie sind aus Deutschland.“
Ich: „Entschuldigung, aber können Sie mir sagen, worum es hier geht?“
Polizist: „An Ehren- und Nationalfeiertagen, Sonntagen und sonstigen kirchlichen wie weltlichen Feiertagen, sind hohe Schuhe zu tragen.“ An meine Bekannte gewandt: „Vielleicht klären sie ihn mal auf.“
Sibylle: „Ja, das mache ich.“
Der Polizist gab mir die Papiere zurück und meinte: „Na, dann nichts für ungut.“
Strammen Schrittes ging er auf seinen High Heels zu seiner Kollegin zurück.
„Was habe ich denn falsch gemacht?“ fragte ich meine Bekannte.
„Du hast einfach die falschen Schuhe an.“
„Wie meinst Du das?
„Heute ist der Geburtstag unseres Königs. Und an Feiertagen, müssen wir nun einmal hohe Schuhe tragen.“
„Sowohl Frauen, als auch Männer?“
„Ganz genau. Schau Dich nur mal um. Alle Einwohner tragen an solchen Tagen ihre besten und höchsten Schuhe.“
„Aber warum?“
„Weil es ein königliches Dekret aus dem Jahre 1698, mit der Erneuerung von 1947, dies so vorschreibt.“
„Das heißt, Eure König verlangt von Euch, dass ihr solche Schuhe tragt? Das kann man doch nicht verlangen!“
„Und ob, der König selbst geht ja mit bestem Beispiel voran.“
„Sag mal wollen wir einen Kaffee trinken, dann erzähle ich Dir mehr davon.“
Wir suchten uns in Bahnhofsnähe ein nettes kleines Café aus und Sibylle fing an zu erzählen:
„Im 17. Jahrhundert war es an allen Europäischen Königshöfen üblich, dass auch die Männer hohe Schuhe trugen. Unser König Philipp der Vierte war davon besonders angetan. Er suchte nach den besten Schuhmachern der Welt, die ihm noch schönere, noch höhere Schuhe fertigen würden. Die Fertigungsmöglichkeiten waren natürlich ein wenig eingeschränkt und man sagte, der König hatte mehr abgebrochene Absätze als Mätressen.
Jedenfalls war der König mehr als beflügelt von dieser Idee, hohe Schuhe zu tragen, so dass er vom Volk verlangte, ebenfalls seiner Mode zu folgen.
Er wusste aber, dass ein Bauer oder Schmied, ein Fischer oder ein Töpfer solcherlei Schuhe weniger zur Arbeit anziehen konnte. Also ordnete er an, dass an Sonntagen, insbesondere beim Gang zur Kirche sein Volk mit hohen Schuhen herum zu laufen habe.
Natürlich konnte sich das nicht jeder leisten, ein paar Sonntagsschuhe zu kaufen; darum entstanden im Verlauf der Jahrzehnte die unterschiedlichsten Behelfs-Schuhe. Hauptsache hoch.
Bei der Gelegenheit: das Königliche Schuhmuseum solltest du dir nicht entgehen lassen, da sind eben auch solche Modelle zu finden.
Als in den 1930er Jahren durch Siegfried Tillett-Ortermann die Möglichkeit geschaffen wurde, wirklich hohe Schuhe herzustellen, die ausreichend stabil waren, um auch 10 oder 15 cm Höhe zu meistern, kam die Wende. König Joseph der Fünfte war jedoch schon zu alt und zu gebrechlich, um diesen neuen Schuhtrend vorzuführen. Doch sein Sohn, Victor der Vierte, der 1946 den Thron bestieg, nahm sich dieser neuen Möglichkeit and und war fortan nur noch mit den allerhöchsten Absätzen unterwegs.
Ein Jahr später erließ er dann den neuen Schuherlass. Maßgeblich setzte er durch, dass bereits in der Schule hohe Schuhe getragen werden, um das zu fördern.“
„Das heißt, dass bei Euch schon die Kinder mit hochhackigen Schuhe herumlaufen? Das ist doch furchtbar ungesund. Selbst für einen erwachsenen Fuß sind es große Strapazen.“
„Das ist schon richtig. Darum werden die Schuhe nur während des Unterrichts getragen, als Teil der Schuluniform. Und natürlich trägt man zum Sportunterricht Turnschuhe und keine Pumps.
Aber was den Gesundheitsaspekt angeht: selbstverständlich beanspruchen wir Einwohner von Stöcklandia unsere Füße stärker als jede andere Nation.
Doch aus diesem Grund gibt es sowohl die „flachen Tage“, meist jene Tage nach einem Feiertag oder eben montags. Zudem verfügt unsere Land über die besten Ärzte auf dem Gebiet der Fußorthopädie. Deformierte Füße sind nur ein kurzfristiges Übel, das problemlos zu behandeln ist. Ja, unseren Ärzten ist es sogar schon gelungen, Schuhgrößen operativ anzugleichen. Zwar nicht gerade von Größe 50 zu 35 oder umgekehrt, aber doch so um ein, zwei Größen.
Auch auf dem Gebiet der Gentechnik konnten unsere Wissenschaftler schon erste Erfolge verzeichnen. Ziel ist der perfekte, stöckelresistente Fuß, mit dem man auch problemlos hunderte von Meilen in 15cm hohen Schuhen wandern kann – ohne dass die Füße schmerzen.
Doch bis es soweit ist, müssen wohl noch einige von uns öfter mal unters Messer.“
„Das heißt: hier läuft also fast jeder mit hohen Schuhen herum?“
„Ja, fast alle. Nur jüngere Kinder nicht oder Greise. Und natürlich solche, die eine amts-ärztliche Bescheinigung haben.“
„Dann hat man also gar keine andere Chance, als zu stöckeln?“
„Ganz recht. Selbst die Polizei, wie du eben gesehen hast oder auch das Militär promeniert mit High Heels. Das sieht schon klasse aus, wenn die Ehrengarde des Königs im Stechschritt und den langen, schwarzen Lackstiefeln aufmarschieren.“
Ihr Auto parkte in Nähe vom Bahnhof und während sie voraus ging schaute, ja starrte ich auf ihre Beine und vor allem die Schuhe. Wahnsinn! Das waren richtige hohe Schuhe. Nicht einfach nur hoch. Nein. Mörderisch hoch.
Schuhe mit denen man in Deutschland vermutlich gleich etwas unanständiges assoziieren würde oder sie in eine bestimmte Schublade stecken würde. Aber es wirklich klasse aus.
„Na, gefällt Dir die Aussicht?“ grinste sie mich an.
„Naja, ähm sicher.“
„Dabei habe ich mir jetzt nur die 12cm Pumps angezogen. Na dann warte mal ab, was ich heute Abend anziehen werde, wenn wir in die Stadt ziehen.
Übrigens: damit Du nicht so unangenehm auffällst, solltest Du Dir vielleicht auch mal richtige Schuhe kaufen. Aber das können wir auch noch später machen, lass uns erst einmal fahren.“